Was unterscheidet Storydive eigentlich von einer Stadtführung per App? Diese Frage haben uns schon viele gestellt. Hier findest du unsere Antwort.
Bamberger Hexen
Vor einigen Jahren habe ich eine Freundin in Bamberg besucht. Ihre Mitbewohnerin hatte einen Nebenjob als Stadtführerin und lud mich ein, an einer ihrer Touren teilzunehmen. Thema der Tour waren die Bamberger Hexenprozesse. Dabei erfuhr ich, dass im Bamberg des 17. Jahrhunderts rund 1.000 Menschen als Hexer und Hexen hingerichtet wurden – rund zehn Prozent der Bevölkerung!
Wir besuchten das Malefizhaus, wo man die vermeintlichen Hexen gefangen hielt und folterte, blickten auf die Regnitz, wo unzählige Menschen bei der Hexenprobe ertrunken waren und schauten uns das alte Rathaus an, denn auch ein Bürgermeister fiel den Hexenprozessen zum Opfer. Ein Brief, den er aus dem Gefängnis an seine Tochter schickte, ist bis heute erhalten und erzählt von den furchtbaren Folterqualen. Der Bürgermeister beteuert darin seine Unschuld, doch der Brief hat die Tochter nie erreicht.
Die Mitbewohnerin meiner Freundin führte uns von Schauplatz zu Schauplatz und erzählte lebendig und anschaulich, was dort geschehen war. Ich erkunde Städte normalerweise auf eigene Faust und so eine Führung war für mich eine neue, durchaus interessante Erfahrung. Das Wissen über die Vergangenheit von Orten fügt ihnen neue Ebenen hinzu und verändert den Blick auf die Stadt.
Als wir anfingen, an Storydive zu arbeiten, habe ich zunächst gar nicht mehr an die Bamberger Hexen gedacht. Unsere Idee war ja nicht, zu erzählen, was an bestimmten Orten passiert ist, sondern sich vorzustellen, was dort passieren könnte. Aber wenn ich im Gespräch so etwas sagte wie: “Mit Storydive kannst du deine Stadt neu kennenlernen und aus einer anderen Perspektive erleben”, dann kam oft als Reaktion: “Also wie bei einer Stadtführung?”
Am Anfang habe ich dann schlichtweg verneint und die Vorzüge von Storydive aufgezählt. Erst später habe ich verstanden, dass das Konzept Stadtführung auch dabei helfen kann, Storydive zu erklären. Ja, Storydive ist wie eine Stadtführung, bei der es aber nicht um Historisches geht, sondern um Fiktives. Und nicht um Sehenswürdigkeiten, sondern um die Dinge, die es in jeder Stadt gibt. Und wir erzählen nicht über Orte, sondern mit ihnen.
Und dann ergänze ich noch: und Storydive ist auch wie ein Point-and-Click-Adventure in der Stadt. Und wie Geo-Caching für Geschichten. Wie ein Hörbuch zum Mitlaufen. Und ein AR-Erlebnis für die Ohren. Und jetzt war wirklich für jede*n was dabei.
Weil uns diese Frage mit den Stadtführungen aber wirklich oft gestellt wird, habe ich hier die wichtigsten Unterschiede nochmal für dich zusammengestellt:
Der Weg ist das Ziel
Wenn du schon mal an einer Führung teilgenommen hast, und zwar egal ob per App oder mit einem Guide, lief das vermutlich so, dass du abwechselnd gelaufen und stehen geblieben bist und zugehört hast. Das heißt, der Inhalt der Führung war jeweils an einen bestimmten Schauplatz gebunden, wie in Bamberg zum Beispiel an das Malefizhaus oder das Rathaus. Diese Schauplätze werden als einzelne Stationen der Führung gedacht.
Als ich ein paar Jahre später nochmal an einer Führung teilgenommen habe – diesmal eine Architekturführung in Porto, wo die Bürgersteige ähnlich schmal waren wie in mancher Bamberger Gasse – ist mir auch aufgefallen, warum das bei einer geführten Stadterkundung ohne technische Hilfsmittel so sein muss: der Guide braucht immer ein Fleckchen, an dem die Gruppe gesammelt stehen und zuhören kann. Beim Laufen von Punkt A nach B zerstreut sich die Gruppe, man unterhält sich, es gibt Verkehrslärm und keiner würde konzentriert zuhören.
Dieses Stationenprinzip hat sich für Stadtführungen offenbar etabliert und wird häufig selbst in Apps, die allein oder in Kleingruppen über Kopfhörer genutzt werden, so angewandt. Viele Stadtführer*innen wiederum arbeiten mittlerweile mit Kopfhörern, über die sie die Zuhörenden auch beim Laufen erreichen. Dabei nutzen sie die Wegzeit aber im Grunde oft nur, um auf die nächste Station vorzubereiten und damit niemand unterwegs verloren geht.
Woran liegt das? Das Stationenprinzip beruht nicht nur auf Konvention, sondern auch auf der Tatsache, dass bei Stadtführungen meist ganz bestimmte Orte im Mittelpunkt des Interesses stehen. Das heißt, ich habe hier Sehenswürdigkeit A, und Sehenswürdigkeit B befindet sich in Laufweite. Also binde ich beide in einen Spaziergang ein, aber nur notgedrungen. Könnten ich meine Zuhörer*innen von A nach B beamen, würde ich diese Lösung vorziehen. Hier ist der Weg ganz klar nur ein Mittel zum Zweck.
Bei Storydive ist das nicht so, im Gegenteil. Wir konzentrieren uns nicht auf einzelne Orte, sondern auf Wege. Das heißt, dass wir die gesamte Wegzeit zum Erzählen nutzen und unsere Nutzer*innen dabei nur selten stehen bleiben.
Die Weganweisungen sind dabei Teil der Erzählung. Während sie in einer Audioguide-App ebenfalls Mittel zum Zweck sind – meist müssen sich die Nutzer*innen ohnehin anhand einer Karte selbst orientieren – haben sie bei uns eine wichtige Funktion, nämlich: dir zu ermöglichen, in der Erzählwelt zu bleiben. Die Weganweisungen unterscheiden sich bei uns von Geschichte zu Geschichte, da wir sie immer an das Setting und die Perspektive der Figur anpassen.
Mit Orten, nicht über sie erzählen
Dass wir nicht in Stationen, sondern Wegen denken, liegt letztlich daran, dass unser Fokus eben nicht auf Sehenswürdigkeiten und historischen Orten liegt, sondern auf dem Erzählen an sich. Stadtführungen können – und sollten – nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam sein und nehmen heute oft die Perspektive von historischen Figuren ein, um Wissen anschaulicher zu vermitteln. Die Erzählkunst spielt dabei für viele Teilnehmenden eine ebenso große Rolle wie der vermittelte Inhalt. Ich erinnere mich lebhaft an eine Führung durch Wien mit einem Wiener Original; Typ grantige Schale, liebenswerter Kern. Als es zu regnen begann, stellten wir uns in einer Kirche unter. Von dort erweckte unser Guide die Orte, zu denen wir nicht mehr gehen konnten, durch Anekdoten aus der Ferne zum Leben. Die Zeit verflog im Nu.
Doch egal, wie gut das Storytelling bei einer Stadtführung ist: im Vordergrund steht immer die Wissensvermittlung. Wir sollen etwas lernen und zwar über die spezifischen Orte und die Menschen, die hier früher gelebt haben. Das Erzählen ist nur Mittel zum Zweck. Das merke ich immer, wenn ich mir die Beschreibungen von Stadtführer-Apps durchlese. Da steht dann zum Beispiel, dass es sich nicht um einen “reinen Informations-Audioguide” handele oder dass die Informationen “auf interessante, unterhaltsame oder persönliche Art” erzählt würden.
Das erinnert mich an einen Workshop, an dem ich mal teilgenommen habe. Der Workshopleiter schlug vor, dass man beim Joggen Podcasts statt Musik hören sollte, “um sich nebenbei weiterzubilden”. Ein Teilnehmer sagte daraufhin, dass er nicht jogge, um sich weiterzubilden, sondern um rauszukommen, sich zu bewegen und Zeit für sich zu haben. Dem Workshopleiter war das unverständlich. Für ihn war Joggen nur eine lästige Pflicht, um sich fit zu halten. Deshalb hatte er das Bedürfnis, nebenbei noch etwas “Sinnvolles” zu tun. Ein bisschen so stelle ich mir Leute vor, die Audioguides in Auftrag geben.
Fabian und ich hingegen gehen einfach gern spazieren. Wir lieben Geschichten. Und Städte. Wenn wir eine Städtereise machen, laufen wir einfach los. Ohne Stadtplan und erst recht ohne Reiseführer – es gibt schließlich überall etwas zu entdecken. Storydive Geschichten spielen deshalb meistens an Alltagsorten.
Ein Storydive Walk soll in erster Linie ein Erlebnis sein. Du schlüpfst in die Rolle des Protagonisten oder der Protagonistin und erlebst eine Geschichte aus ihrer Perspektive. Sicher, dabei lernst du auch die Stadt kennen. Aber immer durch die Augen der Figur, und für die können ein verrosteter Briefkasten oder eine Litfaßsäule eine viel größere Rolle spielen, als der Eiffelturm.
Da bei uns die Geschichte im Mittelpunkt steht, können wir die Umgebung auf ganz andere Art und Weise einbinden, als eine Stadtführung mit Bildungsauftrag. Wir führen dich nicht in eine enge Gasse, weil Goethe mal dort langgegangen ist, sondern weil sich das anders anfühlt, als auf dem weitläufigen Opernplatz nebenan. Und weil du dich hier vor deinen Verfolgern verstecken kannst – oder das zumindest deine beste Chance ist…