Monster fangen, in die Fußstapfen einer Filmfigur schlüpfen oder einen Kunstraub aufklären: Hörspaziergänge für Kinder wecken Fantasie und Entdeckergeist – und kommen auch bei Eltern gut an, denn wenn der Familienspaziergang zum Abenteuer wird, motiviert das ungemein zum Rausgehen und Bewegen. Damit alle Spaß haben, solltest du beim Planen an folgende Punkte denken.
Wie hören Kinder Audiowalks?
Produzent*innen planen Audiowalks für Erwachsene in der Regel für geschlossene Kopfhörer – nichts soll die Hörer*innen vom Hören ablenken. Doch bei Audiowalks für Kinder ist das weder ratsam, noch realistisch. Meiner Erfahrung nach haben Kinder häufig noch kein eigenes Smartphone und sind auch das Hören mit Kopfhörern nicht gewohnt. Daher hören sie mit dem Gerät der Eltern – auf Lautsprecher und meist zu mehreren. Mit dieser Hörsituation solltest du planen, wenn du einen Audiowalk für Kinder entwickelst, damit dein Werk nicht an der Realität scheitert. Filigrane Soundscapes verlieren deutlich an Wirkung, wenn man sie auf Lautsprecher abspielt. Besser geeignet sind daher geschichtenbasierte Audiowalks, bei denen die Figuren und ihre Dialoge im Vordergrund stehen. Geräusche solltest du weniger atmosphärisch begleitend als vielmehr gezielt platziert zum Erzählen einsetzen. Zur Umgebung passende Stimmeffekte kommen ebenfalls gut an.
Die passende Route finden
Die spezielle Hörsituation hat zur Folge, dass du bei der Wahl deiner Route darauf achten musst, dass die Umgebungsgeräusche nicht zu laut sind. Das trifft sich gut mit dem Thema Sicherheit, denn dadurch meidest du automatisch große Straßen. Kinder tauchen oft sehr tief in die Geschichte ein und verlieren dann reale Gefahren wie Autos und andere Verkehrsteilnehmende aus dem Blick. Ein erster Schritt Richtung Verkehrssicherheit ist daher, befahrene Straßen und vor allem das Überqueren von Straßen so gut es geht zu meiden. Wo es sich nicht vermeiden lässt, lege die Route so, dass der Übergang an einer Ampel oder an einem Zebrastreifen stattfindet.
Vielleicht kannst du deine Geschichte ja auf dem Spielplatz, in der Fußgängerzone, im Wald oder in einem Park erzählen? Die Route muss übrigens nicht sehr lang sein: schon ein Weg von 20 Minuten reicht, um Kinder eine Stunde oder länger zu beschäftigen.
Wie sorgst du für Sicherheit im Straßenverkehr?
Straßen lassen sich nicht immer vermeiden. Damit Kinder sie auch beim Audiowalk Hören sicher überqueren können, solltest du einige einfache Regeln beachten:
Erstens: Wo es Autos in der realen Welt gibt, sollte es auch Autos in deiner Erzählwelt geben. Sie müssen von den Figuren nicht als “Autos” bezeichnet werden und innerhalb der Erzählung auch nicht die gleiche Funktion haben wie echte Autos, aber du solltest sie als Teil des Erzähluniversums einführen und sicherstellen, dass deine Zuhörer*innen verstehen, was damit gemeint ist. Such dir eine Figur aus (am besten die, die auch die Wege beschreibt, falls das explizit Aufgabe einer Figur oder der Erzählstimme ist), die vor dem Überqueren der Straße auf die Autos hinweist und das Überqueren anleitet.
Zweitens: Achte darauf, dass die die Erzählung rechtzeitig unterbrichst und die Situation etwas beruhigst. Wenn zum Beispiel gerade eine wilde Verfolgungsjagd durch den Park stattgefunden hat und es jetzt Richtung Straße geht, dann lass sich die Verfolgungsjagd vorher auflösen oder unterbrich sie. Deine Figur ist zum Beispiel außer Atem und bleibt stehen, um Luft zu schnappen. Sie sieht sich aufmerksam um, lauscht auf Geräusche, bemerkt die Autos und beschließt erst dann, die Straße zu überqueren.
Drittens: während deine Hörer*innen die Straße überqueren, unterbrichst du die Erzählung, und zwar so lange, bis die andere Seite sicher erreicht ist. Das erreichst du, indem du nach dem Überqueren ein neues Audiokapitel setzt, das seinen Auslösepunkt auf der anderen Straßenseite hat. Achte beim Testen der Auslösepunkte darauf, dass das Kapitel hier nicht zu früh einsetzt.
Grundsätzlich sollten Eltern ihre Kinder während des Hörens begleiten. Am besten, du weist in der Ankündigung deines Audiowalks noch einmal darauf hin.
Wie finden deine Hörer*innen ihren Weg?
Grundsätzlich sollte jeder Audiowalk so geschrieben sein, dass auch Kinder ihm gut folgen können: mit gut verständlichen Weganweisungen, die den Blick auf die Karte unnötig machen und die Hörer*innen darin bestätigen, auf dem richtigen Weg zu sein. Anweisungen, die verunsichern, weil sie a) uneindeutig sind, oder sie es b) erfordern, dass jemand gleichzeitig hört und liest, solltest du vermeiden. Das bedeutet: möglichst keine Straßennamen und keine Navigation, die allein über Richtungsanweisungen (“rechts”, “links”, “geradeaus”) funktioniert.
Stattdessen arbeitest du mit konkret sichtbaren Dingen. Nimm dafür beim Planen und Testen der Wegbeschreibungen die Kinderperspektive ein und teste den Audiowalk so früh wie möglich mit Kindern zusammen. Sind die Details, auf die du dich beziehen möchtest auch aus niedrigerer Höhe zu sehen, oder versperren andere Dinge wie beispielsweise Autos die Sicht darauf? Gib den Hörer*innen Zeit, die von dir beschriebenen Details in der Umgebung zu entdecken. Gut funktioniert es zum Beispiel, Weganweisungen mit einer Frage einzuleiten. “Siehst du das Haus mit dem runden Turm an der nächsten Ecke? Geh dorthin.”
Achte darauf, dass du die Weganweisungen immer vom Großen zum Kleinen hin aufbaust und nur so viele Informationen gibst, wie aktuell gebraucht werden. Zu ausführliche Beschreibungen verwirren die Zuhörer*innen – vor allem, wenn sie zu weit in die Zukunft weisen. Du kannst ein weiter entferntes, größeres Ziel als Motivation für die Figur verwenden, solltest die Anweisungen, wie deine Zuhörer*innen dorthin kommen, aber so konkret wie möglich halten und dich dafür auf Dinge beziehen, die man in dem Moment auch sehen kann. Wenn du auf ein Detail hinweisen möchtest, führe den Blick Schritt für Schritt dorthin. Indem du die Aufmerksamkeit auf die Details um die Hörer*innen herum lenkst, kannst du sogar ihre Laufgeschwindigkeit beeinflussen.
Wie die Gestaltung der Weganweisungen konkret aussehen kann, erkläre ich im folgenden Video anhand meines Audiowalks “LUCAS’ Kopfkino” in Frankfurt:
Mehr zum Thema Weganweisungen samt ausführlicher Hörbeispiele findest du außerdem in meinem Blogbeitrag “Folge dem weißen Kaninchen”.
Wie gestaltest du Audiowalks interaktiv?
Frag dich dazu zunächst, welche Bedeutung einzelne Orte oder Details innerhalb deiner Geschichte einnehmen können. Du besitzt die Fähigkeit, allein durch Worte aus einem wenig beachteten alltäglichen Ort einen unvergesslichen Schauplatz zu machen. Das kannst du noch verstärken, indem du an diesen Orten zu Interaktionen mit der Umgebung einlädst. Gib deinen Hörer*innen kleine Aufgaben, so dass sie noch mehr das Gefühl bekommen, Teil der Geschichte zu sein. Das kann ein kleines Rätsel, die Suche nach einem Detail oder eine Geschicklichkeitsaufgabe sein. Oder auch einfach die Aufforderung, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu bewegen, zum Beispiel zu schleichen oder sich vor einer Überwachungskamera zu verstecken. Wenn ich mit jungen Hörer*innen spreche, sind das die Erlebnisse, die ihnen am stärksten im Gedächtnis bleiben.
Unser Audiowalk “Schatten über Wolfenbüttel” ist voller solcher kleiner Aufgaben: um das Rätsel um das entlaufene Monster zu lösen, müssen die Hörer*innen zum Beispiel einem steinernen Löwen die Mähne kraulen, dreimal eine Sonnenuhr umrunden, ein geheimes Schlüsselzeichen finden und als Losung zeigen, usw. Die Autorin Corinna Rindlisbacher hat sogar zwei Vorhängeschlösser auf der Brücke in “Klein Venedig” angebracht, in denen die für das Einfangen von Monstern so wichtige Sonnenenergie gespeichert wird.
Gerade bei jüngeren Kindern spielt es dabei keine Rolle, ob die Aufgaben tatsächlich ausgeführt werden müssen, um das nächste Kapitel zu hören, oder nicht. Eine kleine Pause in der Audiospur gibt Zeit für das Erfüllen der Aufgabe und reicht meist völlig. Ältere Kinder achten eher darauf, ob ihre Handlungen echte Konsequenzen für die Geschichte haben. Hier kannst du zum Beispiel mit Wegentscheidungen arbeiten. Die Route ist dann nicht mehr linear, sondern teilt sich an bestimmten Stellen auf. Die Hörer*innen müssen innerhalb der Geschichte eine Entscheidung treffen, zum Beispiel: “folgst du den Dieben nach rechts um herauszufinden, wo sie als nächstes hingehen oder triffst du wie versprochen deine Freunde links an der Ecke und holst dir Verstärkung?” Je nachdem, ob sie dann rechts oder links gehen, verändert sich der Verlauf der Handlung. Das Schreiben einer solchen interaktiven Geschichte bringt mit jeder Entscheidung mehr Komplexität, daher solltest du die Entscheidungen gut gewählt einsetzen.
Eine andere Möglichkeit ist, keine Weganweisung zum folgenden Auslösepunkt zu geben, sondern ein Rätsel zu stellen, das auf den nächsten Ort hinweist. Am besten du testest die Rätsel mit Kindern aus der entsprechenden Altersgruppe, um sicherzustellen, dass sie lösbar sind.
Vielleicht möchtest du deinen Audiowalk ja auch direkt zusammen mit Kindern und Jugendlichen entwickeln? In meinem Blogbeitrag “ Audiowalks mit Kindern und Jugendlichen gestalten” gebe ich Tipps, wie du ein solches Projekt planst und was du dafür alles benötigst.