Crazy Island
Oder: unterwegs erzählen

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Oder: unterwegs erzählen

Crazy Island
Oder: unterwegs erzählen
1920 706 Sophie Burger

Geschichten als Audiowalks zu erzählen, ist manchmal gar nicht so einfach, vor allem, wenn die Handlung eigentlich an einem bestimmten Ort stattfindet. Denn was sich als Text spannend liest, kann für deine Zuhörer*innen schnell langweilig werden, wenn sie sich beim Hören die Beine in den Bauch stehen.

Kurioses aus Karlsruhe

Miriam Steinbach schreibt seit 2013 online über ihre Erlebnisse und Begegnungen in Karlsruhe und auf ihren Reisen. Sie trifft sich mit lokalen Künstlern, Vereinen und Veranstalterinnen und stellt sie in ihrem Blog Die Schreibmaschine vor.

Besonders gern mag ich an Miriams Blog die Sparte “Kurioses”. Hier schreibt sie auf amüsante Weise über skurrile und merkwürdige Dinge, die ihr in ihrem Alltag passiert sind.

Einmal zum Beispiel hat sie einen Zettel im Briefkasten – von der Polizei. Auf dem steht: „Liebe Frau Steinbach, aufgrund der Situation in Ihrer Wohnung ist davon auszugehen, dass Einbrecher am Werk waren – bitte melden Sie sich im Polizeipräsidium am Marktplatz.“

Tatsächlich hat Miriam morgens einfach nur den Wecker ein paar Mal zu oft auf “schlummern” gestellt. Im Stress nach dem Aufstehen hat sie dann verschiedene Klamotten aus dem Kleiderschrank gerissen und in der Eile vergessen, die Wohnungstür richtig zu zuziehen. Ein Nachbar entdeckt die offene Tür und die Unordnung und verständigt prompt die Polizei.

Wo sich die Wohnung aus der Geschichte wirklich befindet, weiß ich nicht. Für Miriams Audiowalk haben wir sie jedenfalls in die Nähe des Polizeipräsidiums gelegt, so dass die Hörer Miriam auf ihrem Weg zur Wache begleiten können.

Unterwegs überlegt sie, wie sie die Situation erklärt und den Beamten beibringt, dass gar kein Einbruch stattgefunden hat. Am Ende ist es ihr aber doch zu peinlich. Sie wird nicht bei der Polizei vorstellig und die Episode endet mit der lapidaren Feststellung: “Die Einbruchsstatistik im Stadtgebiet ist nun leicht verzerrt.

Die Hörsituation mitdenken

Es muss am Ende gar nicht mehr zu einer Begegnung mit der Polizei kommen, weil Miriam im Kopf schon verschiedene Szenarien durchgespielt hat, die viel lustiger sind als das, was tatsächlich hätte passieren können. Hätten wir die Zuhörer die Szene direkt an der Polizeiwache anhören lassen, hätten sie sich währenddessen die Beine in den Bauch gestanden. Auf diese Art hingegen können sie sich schon beim Laufen vorstellen, selbst in Miriams Situation zu sein und überlegen, was sie sagen oder tun würden.

Es lohnt sich also, die Hörsituation immer mitzudenken. Gerade wenn du etwas erzählen möchtest, das vielleicht in einem Gebäude oder an einem ganz bestimmten Ort passiert, kannst du darüber nachdenken, ob sich der Weg dorthin oder von dort weg nicht auch einbeziehen ließe.

Wenn deine Figur irgendwohin unterwegs ist, beschäftigt sie ihr Ziel schon auf dem Weg. Möchte sie dorthin? Muss sie? Hat sie Angst vor einer Begegnung oder freut sie sich darauf? Ist sie neugierig oder meint sie schon genau zu wissen, was sie erwartet?

Auf dem Weg kannst du deine Zuhörer bereits auf das Ereignis einstimmen und Erwartungen wecken. Wie die Figur zu einem bevorstehenden Ereignis steht, kann viel über sie verraten. Und als Zuhörerin weiß ich, dass es meist anders kommt, als geplant. Daraus entstehen Spannung und Neugierde.

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