FAUL&HÄSSLICH.
Interview mit FAUL&HÄSSLICH. über den Audiowalk "Voiceover Science"

Stellt euch kurz vor.

Hi. Wir sind das aktivistisch-feministische Kollektiv FAUL&HÄSSLICH.. Wir, das
heißt: Mare Kraus, Laura Götz, Clara Kaltenbacher, Victoria Grace Findlay und Julia
Kragh. Wir kommen aus unterschiedlichen künstlerischen Bereichen, wie dem
Schauspiel, der Musik und dem Tanz, den Kulturwissenschaften und dem sound
engineering und arbeiten seit 2019 zu anti-kapitalistischen und feministischen
Themen und vor allem im Bereich des Theaters. Was verbindet uns miteinander?
Vielleicht die Überzeugung, dass Kunst eine Widerstandsform sein kann? Wir
glauben an die witchcraft vom Theater. Ans Kollektive

Erkläre in eigenen Worten, was ein Audiowalk ist.

Ein Audiowalk ist für uns die Möglichkeit, einen Ort und seine Geschichte
kennenzulernen. Die Suche nach Spuren aus der Vergangenheit, die uns etwas über
unser Heute aufzeigen können. Die Kontaktaufnahme zu Menschen, die vielleicht auf
ähnlichen Routen liefen, gleiche oder ganz andere Gedanken hatten. Ein Audiowalk
ist für uns die Chance, unsere Perspektiven zu teilen mit den Menschen, die nach
uns diese Route begehen. Und ein tolles Medium, um mit unterschiedlichen
Hörer:innen in Kontakt zu treten, auch wenn wir bereits weitergezogen sind.

Für welche Stadt habt ihr euren Audiowalk geschrieben und was mögt ihr an dieser Stadt am liebsten?

Wir entwickeln unseren Audiowalk VOICEOVER SCIENCE für die Stadt Jülich. Diese
kleine Stadt in NRW. Die Stadt ist für uns besonders, weil wir es spannend finden,
aus den unterschiedlichen Großstädten, in denen wir leben (Köln, Leipzig und
Berlin), rauszukommen und im ländlichen Raum künstlerisch tätig zu sein. Wir
mögen an Jülich die spannende Geschichte der Wissenschaften. Angefangen bei
einer Historie der „Hexen“-Verfolgungen bis hin zur Gründung des berühmten
Forschungszentrums..

Worum geht es in eurem Audiowalk?

FAUL&HÄSSLICH. lädt zur feministischen Erkundungstour durch Jülich ein. Vorbei
am Hexenturm, entlang der Geschichte des Forschungszentrums, bis hin zum
Science College Overbach begeben wir uns auf die Suche nach verlorenem Wissen
und vergessenen Forschenden, die aus Laboren, Lehrstühlen und dem kulturellen
Gedächtnis verdrängt worden sind. Wir wollen in unserem Audiowalk patriarchale
Strukturen in den Wissenschaften genauer untersuchen.

Wie seid ihr auf die Idee dazu gekommen?

Wir haben uns die Stadt genauer angesehen und uns gefragt: Was ist das
Besondere an diesem Ort? Was interessiert uns? Das Forschungszentrum dort ist
sehr präsent und so kamen wir auf die Idee, aus einer feministischen Perspektive
heraus die Geschichte der Wissenschaften zu betrachten. Das Format des
Audiowalks hat es uns angetan, weil wir den Gedanken mögen, Kunst und Kultur
nachhaltiger zu gestalten und Menschen auch nach unserer Abreise die Möglichkeit
zu geben, den Audiowalk zu laufen.

Wer sollte eure Geschichte auf jeden Fall hören?

Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele unterschiedliche Menschen den
Audiowalk hören können. Wir freuen uns, Menschen feministische Perspektiven
eröffnen zu können, die vielleicht vorher noch nie damit in Berührung gekommen
sind. Wir freuen uns aber auch, wenn Menschen unseren Walk hören, die sich
bereits mit diesen Themen auseinandergesetzt haben. Gerade marginalisierte
Personen haben vielleicht bereits ähnliche Erfahrungen im Bereich der Wissenschaft
(oder auch in anderen Bereichen) gesammelt und dann ist es gut zu hören, dass es
keine individuellen Themen, sondern strukturelle Dinge sind, die es schwer machen
können, in diesen Bereichen tätig zu sein.

Was war für euch die größte Herausforderung beim Schreiben?

Eine große Herausforderung beim Schreiben ist es, so zu schreiben, dass alle
mitgenommen werden können. Den Audiowalk verständlich und zugänglich zu
machen. Außerdem ist es herausfordernd, die spezifische Geschichte eines Ortes zu
verbinden mit größeren Themen, die wir vermitteln wollen.

Und was euch am meisten Spaß gemacht?

Am meisten Spaß macht, die gemeinsame kollektive Zeit miteinander zu teilen und
etwas zusammen zu entwickeln. Nach getaner Arbeit zusammensitzen. Spaß macht
es, einen Audiowalk kollektiv zu erarbeiten und unterschiedliche Stimmen
aufzunehmen. Außerdem haben wir großen Spaß am Skillsharing, gerade was die
Bereiche Ton und Technik betrifft.

Was ist euer Lieblingsort entlang der Route?

Unser Lieblingsort entlang der Route ist der sogenannte “Hexenturm” in Jülich. Dort
kommen wir auch einige Tage im Hotel unter, während wir den Audiowalk entwickeln.
Der Ort hat eine spannende Geschichte. Hier wurden in der frühen Neuzeit Frauen
eingesperrt, die der “Hexerei” bezichtigt wurden. Wir hoffen, ihren Stimmen in
unserem Walk wieder Gehör verschaffen zu können.

Welches Detail auf eurer Route ist euch erst während der Arbeit an eurem Audiowalk aufgefallen? 

Im Schlosspark steht ein Denkmal, eine Statue. Unabhängig von ihrer eigentlichen
Bedeutung – seit 1903 steht dort der Gedenkstein mit Portrait zu Ehren von Kaiser
Friedrich III. – fiel uns im Laufe der Vorbereitungen zum Audiowalk die phallische
Form des Denkmals auf und wir mochten unsere Assoziationen zu männlicher
Hegemonie und Macht so gern, dass wir sie in den Audiowalk integrierten.

Zu welcher Jahreszeit gehst du am liebsten spazieren?

Mare: Im Herbst. Die Farben hauen mich jedes Mal um.
Laura: Immer. Spazieren geht immer.
Vic: Definitiv immer.
Jules: Frühling. Die ersten Sachen kommen aus der Erde. Es gibt Hoffnung.